Wer Ursula Dethleffs und ihre Arbeiten näher kennenlernen will, hält sich am besten an Frau Dethleffs-Edelmann, Mutter von Ursula. Sie ist selbst Malerin, eine erfolgreiche dazu und hat das große Glück, nebst Mann und Haus das Kind Ursula zu besitzen. Mit Ursula ist das so:
„Sie hat schon mit 6 Jahren Bilder gemalt, diese Teller hat sie mit 7 Jahren gemacht und diese Teppiche mit acht Jahren, mit 13 Jahren hatte sie ihre erste Ausstellung, es war ein Riesenerfolg. Ursula ist so fleißig, sie arbeitet meist in den frühen Morgen hinein, dabei ist sie ständig unterwegs, es sind jetzt so viele Ausstellungen. Sie war 14 Jahre alt, als diese Hinterglasbilder entstanden sind, ich habe alles in Vitrinen, damit nichts passiert, es wird auch nichts hergegeben, es ist alles von früher, Ursula ist enorm fleißig, in letzter Zeit macht sie Materialbilder, neuerdings auch wieder Hinterglas, dazwischen natürlich Teppiche.“
Ursula hat, Ursula wird… Frau Dethleffs ist ganz in ihrem Element. Man vergisst, dass man Ursula kennenlernen wollte. Vielleicht gibt es Ursula gar nicht, man wünscht es sich fast. Denn so viel Fleiß, soviel Produktivität schon im frühen Kindesalter, als unsereins sich nutzlos auf der Straße herumtrieb, bedrücken auf die Dauer. Der eigene Kurswert gerät ins Wanken.
Aber dann kommt Ursula in Zimmer. 38 Jahre alt, wie man später erfährt. Bemerkenswert frisch und ungekünstelt. Keinerlei Allüren, eher anspruchslos wirkend. Wir wollen Teppiche sehen, aus der letzten Zeit. Sofort beginnt sie zu schleppen, bringt ca. 60 Arbeiten, jeweils etwa 170 cm hoch und 50 cm breit. Dazu einen Pappkarton mit 30 kleineren, quadratischen Bildteppichen. Alle im Lauf des letzten Jahres entstanden:
Einer so prachtvoll wie der andere. Sehr dekorativ und festlich, in meist dunkel leuchtenden Farben Figuren, Bäume, Landschaften, Blumen, Abstraktes. Keine Wiederholung. Jede Arbeit ist eine neue Kreation – vom Thema, von den Farben, sogar vom Material her.
Ursula Dethleffs scheint unerschöpflich im Finden neuer Kombinationen zu sein. Man gewinnt den Eindruck, sie braucht nur ein Stück Stoff, und schon entsteht ganz von selbst das Bild.
Es muss nicht anspruchsvolles Material sein. Natürlich sind ihr schöne Seidenstoffe, ein Rest Samt oder gar Spitze stets willkommen. Sie läßt sich aber auch von einem Paar grüner Wollsocken inspirieren. Für Ihre Teppich-Zauberspiele kann sie einfach alles gebrauchen. So kommt auch gleich die Bitte, ja nichts wegzuwerfen, sondern alte Kleider auf jeden Fall nach Isny zu senden.
Man beginnt Mutter Fridel Dethleffs-Edelmann zu verstehen. Ursula ist tatsächlich so etwas wie ein Phänomen. Teppichmachen scheint für sie ein Spiel zu sein, vor mehr als 30 Jahren begonnen.
Ihr Kunstverstand ist inzwischen gewachsen, die Hingabe an das Spiel gleichgeblieben. Solchermaßen mit Perlen und Knöpfen, alten und neuen Stoffen beschäftigt, scheint Ursula gar nicht zu hören, dass sie eigentlich ein Wunderkind ist. Sie kann etwas - man sagt ihr oft, wie viel sie kann. Trotzdem ist sie erquickend normal. Kaum zu glauben!
1971: Eugen Eisenmann, Böblingen (Kunstsammlung Eisenmann + Eisenmann Maschinenbau-Gesellschaft)