Einführung in ihr Werk

Von Dr. Ursula Merkel und Dr. Monika Scholl

aus dem Buch "Fridel Dethleffs-Edelmann und Ursula Dethleffs - Ein Überblick", 1997

Ursula Dethleffs umfangreiches, künstlerisches Schaffen erweist sich bereits in ihrer Jugend als beeindruckend vielfältig. Dabei geht stets die sichere formale Gestaltung mit technischer Perfektion in der Ausführung einher. Im Verlauf ihres Lebens schuf sie Hinterglasbilder, graphische Arbeiten, Keramiken, Biltdteppiche sowie Holzreliefs und Holzskulpturen.

Ausgewogenheit der Komposition, formale Sicherheit der Umsetzung, schöpferische Phantasie und eine bemerkenswerte Ausdruckskraft zeichnen bereits die frühen Holz- und Linolschnitte der vierziger und fünfziger Jahre aus. Sie beeindrucken durch ihre einfache, die Fläche betonende Formensprache, die von der Kunst Gaugins und der Expressionisten inspiriert scheint. Bevorzugte Themen sind in dieser Schaffensphase weibliche Akte, einzeln oder in Gruppen, und biblische Szenen

Die gleichsam märchenhafte Stimmung vieler dieser Kompositionen und der verinnerlichte Ausdruck einzelner Figuren findet sich auch in den entstehenden Hinterglasmalereien. Als weitere Themenkreise kommen, neben dem Motiv des Liebespaares und den Selbstbildnissen, die Welt des Zirkus und heitere, figurenreiche Jahrmarktschilderungen hinzu, die in einer Folge von Radierungen und farbenfrohen Hinterglasbildern festgehalten werden.

Um 1955 verändert sich die künstlerische Sprache von Ursula Dethleffs mehr und mehr: Religiöse Darstellungen treten zurück, die Sicht auf die Motive wird unmittelbarer und die Tendenz zur Abstraktion - besonders an den Lithographien und Zeichnungen zu beobachten - immer ausgeprägter.

In einer ganzen Reihe von Arbeiten verschiedener Techniken hat die Künstlerin anschließend den Schritt in eine konsequent abstrakte Bildsprache vollzogen, daneben aber immer wieder auch figürlich-gegenständliche Motive aufgegriffen. Neue, im Ergebnis überraschende Gestaltungsmöglichkeiten erprobte sie darüber hinaus mit Übermalungen photographischer Reproduktionen und in den sechziger Jahren mit einer Reihe von Papiercollagen, die in spröder Poesie eine ganz eigene Ästhetik entfalten.

Ursula Dethleffs erste Bildteppiche entstehen bereits in ihrer Jugend: Stoffapplikationen auf einem Rupfenuntergrund, die man als genähte Bilder charakterisieren kann. Hohe handwerkliche Perfektion und eine harmonische formale Gestaltung zeichnen diese frühen Arbeiten aus.

Doch bald gilt ihr besonderes Interesse der Struktur und Eigenart der verwendeten Textilmaterialien. In den sechziger Jahren entstehen gegenstandslose Farbkompositionen, die manchmal an vegetatible Formen erinnern. Ruhe und Ausgewogenheit charakterisieren das Wechselspiel von Flächen, Formen, Farben und Strukturen, das in jedem dieser Werke neue und stets verschiedenartige Wirkungen hervorruft.

In den siebziger Jahren löst sich Ursula Dethleffs von den eher malerischen Textilgestaltungen. Sie beginnt die Oberflächen ihrer Stoffteppiche aufzubrechen. Das lebhafte Nebeneinander und Übereinander, Zeigen und Verbergen verschiedener, buntfarbiger aber auch toniger textiler Strukturformen steigert die reduzierte Formensprache. Dazu setzen nichttextile Materialien - wie z.B. Knöpfe, Kordeln, Kettchen oder Broschen - Akzente und verstärken die Dynamik der Komposition. Die Arbeiten zum Thema Frau sind ein Beispiel aus dieser Schaffensphase.

Bei den Bildteppichen befreit sich Ursula Dethleffs schließlich vollständig von der rein flächigen Gestaltungsweise. Sie dreht, bauscht, drapiert und knäult unterschiedlichste Textilmaterialien, sodaß dicke Polster, feine Schnüre oder Draperien zu einem stark bewegten, kraftvollen Relief anwachsen. Im Mittelpunkt bleibt die Thematisierung des Gegensatzes von Zeigen und Verbergen. Das Spiel von Licht und Schatten verleiht der starken und dennoch ausgewogenen Dynamik dieser Textil-Bild-Reliefs eine Leichtigkeit und zusätzliche Plastizität.

Mit Keramik beschäftigt sich Ursula Dethleffs bereits seit ihrer Jugend. Dabei gilt ihr künstlerisches Interesse von Beginn an der Gestaltung keramischer Oberflächen. Die früheste Arbeit, eine mit meisterhafter Sicherheit gefertigte, filigrane Gefäßdekoration in Sgraffito-Technik, schafft sie bereits mit 12 Jahren.

In der Folgezeit dienen ihr neben Fliesen in unterschiedlichen Formaten auch Schamotteplatten und Spaltklinker als Bildträger. Die gemalten Bildfliesen, die sie während der fünfziger Jahre schafft, genügen schon bald nicht mehr ihren künstlerischen Ansprüchen. Ihr Interesse gilt von nun an verstärkt der Glasur und den Gestaltungsmöglichkeiten, die gerade durch die Unberechenbarkeit des Brandes entstehen. Zunächst schafft sie Farbkompositionen, in die sie farbige Glasuren einschmelzen läßt. Verschiedenartige Flächen fließen ineinander, dabei bilden unterschiedliche Glasurarten und -strukturen eine neue Einheit: Dichte, glasige und dennoch transparente Flächen mit Craquele treffen auf feine, dichte Flächen, andere fließen transparent aus. Diese Fliesenbilder wirken spontan, kraftvoll und erhalten durch Einbeziehung der unkalkulierbaren Zufälligkeit des Glasurflusses in die Gestaltung ihren einmaligen Eigencharakter.

In den keramischen Material-Relief-Bildern entfernt sich Ursula Dethleffs dann vollständig von der flächigen, malerischen Behandlung der Oberflächen. Sie geht dabei sowohl technisch als auch gestalterisch neue Wege, indem sie nichtkeramische Materialien in ihre Komposition einbaut und mit der Glasur einbrennt: Man erkennt Fundstücke aus Metall, wie z.B. Schrauben, Stanzteile, Metallsiebe oder-geflechte aber auch Porzellanscherben, keramische Brandreste oder auch Überreste von Plastikteilen.

Wir finden auch gebogenes Blech, ein Schloß, Dosenöffner oder Schrauben in goldenblauem Fond. Die Wirkung der Keramik erzielen dagegen verschiedene, strukturierte Grautöne mit eingebackenen Tonstücken. Eine kokelige Struktur wird als Überrest von Versatzstücken dem eingebackenen Drahtgeflecht und der blauen Fläche entgegengestellt.

Den kürzesten Zeitraum ihres Schaffens nehmen die Holzarbeiten ein, denen sie sich Ende der achtziger Jahre sehr intensiv widmet. Es entstehen Montagen, für die sie Fundstücke - d.h. alte, benutzte, manchmal demontierte Gegenstände - zu einem neuen Zusammenhang fügt. Die ungeschönten Spuren von Gebrauch aber auch Zerfall der verwendeten Teile, die auch in ihrer Form nur selten verändert werden, stellen ein wichtiges Gestaltungsmerkmal dar.

Bei diesen bedeutenden Holzreliefs kann ein Faßdeckel als Bildträger dienen oder auch eine hölzerne Schranktür: Darauf arrangiert die Künstlerin grobe Holz- und Metallteile mit ganzen Geräten. Eingeschnittene Motive erzielen auf dem Rundrelief einen positiv-negativ Effekt. Blaue Kreidestriche oder eine mit Kreide gezeichnete Blüte bilden zu den kraftvollen Reliefmontagen malerische, zart wirkende Kontrapunkte.

Vorwiegend von der Natur geformte Fundstücke, bzw. schon vom Zerfall gekennzeichnete Holzteile auf einer Holztafel aus drei Planken erzeugen die archaische Wirkung des Reliefs.

Allen Holzskulpturen gemeinsam ist die Auseinandersetzung Ursula Dethleffs' mit dem Thema Mensch. Aufrecht stehende alte Balken oder Kanthölzer bilden den Torso, der durch wenige prägnante Fundstücke ergänzt wird. Dabei geht es Ursula Dethleffs um die Thematisierung des Menschen an sich, in dem sie den Blick auf das Elementare bzw. Ursprüngliche richtet. Die statische Ruhe der geradezu archaisch anmutenden Gestaltung, die auf der schlichten, reduzierten Formensprache beruht, verleiht den Holzskulpturen eine besondere Aussagekraft

Selbstbildnis Pinselzeichnung 1954
WVZ-Nr. 273012
Auf dem See Genezareth Holzschnitt 1948 WVZ-Nr. 281017
Die Rothaarige Hinterglasbild 1955 WVZ-Nr. 231017
Nachdenklich Pinselzeichnung 1955 WVZ-Nr.273123
Maskenball Bildteppich um 1970 WVZ-Nr. 212167
Der Goetze Keramisches Materialbild 1967 WVZ-Nr. 241109
Ohne Titel Relief Holz um 1989
WVZ-Nr. 224133