Ursula Dethleffs:
Zum 1. Mal ausgestellt: die wichtigsten Meisterwerke

Ausgesucht wurden ihre Werke von drei Frauen, den Kunsthistorikerinnen Dr. U. Merkel, Dr. M. Scholl und Frau S. Bieber (M.A.) aus Karlsruhe.

An der Badischen Landeskunstschule Karlsruhe durfte sich Ursulas Mutter als eine der ersten Studentinnen von der „Neuen Sachlichkeit“ in die Kunst einführen lassen. Ihr bekanntestes Gemälde „Selbstbildnis in der Malkutte“ (Werksverzeichnis 152100) wird als Vorbild des deutschen Klassizismus zwischen 1918 und 1936 international in vielen Museen gewürdigt. Neben ihrem eigenen Weg hat Fridel Dethleffs-Edelmann als Kunsterzieherin ihrer Tochter die künstlerische Freiheit geschenkt. Ursula Dethleffs konnte unbehelligt vom Auf und Ab der Kunstmoden künstlerisch ihren eigenen Weg finden: Geführt hat die Mutter ihre Tochter anfangs über traditionelle Bildteppiche, Aquarelle, Hinterglasbilder und Keramiken. Sehr früh hat sich Ursula Dethleffs der eigenen Kunstsprache zugewandt:
Verwandlung von scheinbar Wertlosem zu neuer, zeitloser, künstlerischer Kraft. Die von Ursula gewählten Materialien entsprachen der schwäbischen Sparsamkeit in der Nachkriegszeit gegen die überbordende Wegwerfgesellschaft. Bei Ursula war das jedoch kein Glaubensbekenntnis, sondern selbstverständlich, weil die ganze Familie sparsam war.

Heute ist es anders. Was man braucht, kann man kaufen. Damals war alles wertvoll - auch Altes. Kaufen konnte man fast nichts. Aber die junge Ursula konnte zu Verwandten gehen und nach alten Papierresten fragen – für ihre ersten Zeichnungen, später für Collagen. Oder sie beschwatzte den Schreiner, der uralte Fenster mit altem Glas ganz hinten in der Werkstatt aufgehoben hatte – für kleine Hinterglasbilder. Oder Schindeln später für eine Hexe. Stoffreste fand sie bei den Tanten, Stoffhandlungen oder Schneiderinnen für ihre Bildteppiche. Alles was sie fand, ob bei Verwandten, Handwerkern oder an Stränden – wo auch immer: Ursula sammelte alles.

Kaum einer spürte, wie die alten Dinge ihre Fantasie, ihre Kreativität befruchten konnten. Denn das Sammelergebnis sah im Atelier Dethleffs zunächst auch nicht nach Kunst aus:

Fotos: R. Rasemann

Der Spott der Spießer war Ursula sicher: Die behütete Fabrikanten Tochter konnte angeblich nicht aufhören, alten „Gruscht“ zu sammeln. Kein Wunder, dass das Mädchen, das ursprünglich als Wunderkind gefeiert worden war, bald zur „Schrott-Ursel“ denunziert wurde. Damit konnte man Ursula verletzten und ihren Erfolg sabotieren.

Dass sie die Objekte ihre Sammelleidenschaft aber inzwischen ausgetauscht hatte, wurde nur von ihren Freunden und Bekannten bemerkt. Inzwischen suchte sie zum Beispiel auch edle Stoffreste für ihre Bildteppiche, die für einen Altardecke nicht mehr groß genug waren. Vor allem suchte und kaufte sie überall Antiquitäten: Mit antiken Teilen wertete sie fast unbemerkt ihre Kunstwerke auf.

„Fast unbemerkt“ das war eine typisch weibliche Charaktereigenschaft der Künstlerin. Ein Künstler hätte daraus eine Schau gemacht: „seht her, was für ein Supermann ich bin“. Das war nicht der Stil von Ursula Dethleffs. Sie hätte auch die Preise für ihre Kunstwerke drastisch erhöhen können. Sparsamkeit war nach 1960 keine Tugend mehr, allenfalls eine kleinkarierte Sekundärtugend. Niedrige Preise beschädigten die Wertschätzung ihrer Werke.

Selbst ernannte Kunstkenner wollten Mutter und Tochter beherrschen: Die Mutter sollte die Neue Sachlichkeit verlassen um mit „Deutscher Kunst“ die Nazis zu verherrlichen. (Ihr Ölgemälde "Selbst mit Tochter“ WVZ-Nr. 152201 zeigt den zweifelhaften Erfolg dieses Experiments.) Von der Tochter Ursula wünschten sich viele, dass sie aus der archaischen Objektkunst wieder zu der bezaubernden Schönheit ihrer frühen Werke zurückfinde. Trotz der vielen Steine, die beiden Künstlerinnen in den Weg gelegt wurden, sind sie gemeinsam ihren eigenen Weg gegangen. Das war das Geheimnis der Bindung von Mutter und Tochter, das kaum jemand verstand.

Und der künstlerische Unterschied zwischen Mutter und Tochter? Er wird klar, wenn Sie sich die 5 Jahrzehnte hintereinander ansehen:

1940 -1949: schon in der ersten Periode dreißig beste Werk in neun unterschiedlichen Techniken – davon 6 x Aquarell / Gouache, 5 x Hinterglas, 5 x Zeichnung, 4 x Bildteppich, 4 x Lithos, 4 x Holzschnitt

1950 - 1959: fünfunddreißig beste Werke in fünf unterschiedlichen Techniken – davon 11 x Keramik, 9 Zeichnung, 6 x Holz- und Linolschnitt, 5 x Radierung, 3 x Collage.

1960 -1961: vierunddreißig beste Werke in sieben unterschiedlichen Techniken – davon 16 x Keramik, 6 x Collage, 5 x Bildteppich usw. (neue Technik Monotypie)

1970 - 1979: neunundzwanzig beste Werke in sechs unterschiedlichen Techniken – davon 9 Keramik, 8 Bildteppich, 5 x Hinterglas mit 3 Fenstern in der Nikolaikirche Isny usw.

1980 - 1994: vierundzwanzig beste Werke in vier unterschiedlichen Techniken mit 14 x Objektkunst, 5 x Bildteppich usw.

Diese überraschende Vielfalt ist das Ergebnis der Tatsache, dass Ursula nicht an einer Kunstakademie ausgebildet wurde, sondern von ihrer Mutter und von vielen künstlerischen Freunden der Familie. Ursula durfte sich von Anfang an frei entwickeln. Als Kunsterzieherin war die Mutter immer streng, aber nie dominant. Deshalb wurde sie auch von Ursula bis zu ihrem Tod verehrt.

Die Kunsthistorikerinnen Dr. U. Merkel, Dr. M. Scholl und Frau S.Bieber (M.A.) haben uns die Augen geöffnet. Dafür bin ich sehr dankbar! 

Bernd Riedle 15. September 2019