26. Ausstellung in der Internet-Galerie-Dethleffs:

Ursula Dethleffs:
Das scheue Wunderkind 1940-1949

Ursula Dethleffs war schon früh als Wunderkind gefeiert worden. Ihre Mutter, die Künstlerin Fridel Dethleffs-Edelmann, war stolz auf den frühen Ruhm ihrer Tochter. Ursula selbst war über das Wort „Wunderkind“ nie glücklich.

Manche von Ursulas Arbeiten, die seit vielen Jahren bewundert werden, wird man eher als schöne Kinderarbeiten, denn als Kunstwerke beurteilen. Das Urteil über die in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten überlasse ich den erfahrenen Kunsthistorikern.
Aus der frühen Periode von 1940 bis 1949 haben wir 24 ihrer wichtigsten Arbeiten ausgesucht. Wenn Sie Ursula Dethleffs/Ausstellung nach Perioden/1940-1950 verwenden wollen, dann finden Sie auf diesen 5 Seiten auch die restlichen 125 Werke der insgesamt 149 Kinder- und Jugendarbeiten.
Zusätzlich überrascht waren die frühen Bewunderer von Ursula Dethleffs, wenn sie zum ersten Mal entdeckt haben: das Wunderkind Ursula hat nicht nur geklebt, gezeichnet und gemalt. Von Ursula gibt es schon in der ersten Periode: Aquarelle, Bildteppiche, Collagen. Gouachen, Hinterglasbilder, Holzschnitte, Keramikschalen, Ölbilder und Tuschfederzeichnungen!

In meinen kurzen Einführungen geht es nicht um Kunstkritik, sondern um persönliche Eindrücke. Da ich erst 1940 geboren wurde, geht es auch nur um Informationen aus Gesprächen mit der, mit mir verwandten Familie Dethleffs, mit Kunstverständigen und um Informationen aus dem Archiv.

Bernd Riedle November/ Dezember. 2017

1940: Ursula 7 Jahre

Das erste Selbstbildnis von Ursula ist eine geklebte Collage – eine Kinderarbeit. Seit diesem 1. Selbstbildnis kombiniert Ursula immer wieder unterschiedliche Materialien zu ihren überzeugenden Werken. Am Anfang Kinderarbeiten aus Buntpapier; später Collagen aus Papier oder Textilien zu Hinterglasbildern oder Bildteppichen; dann aus Keramik und Metall zu ihren Materialbildern; zuletzt aus vielerlei Fundstücken zu ihren späten Objektarbeiten.

1940 Fridel, Ursula, Arist in Uniform
1940 Ursula auf ihrem Weihnachtsgeschenk
228001 Ursula Selbstbildnis Collage 1940

1941: Ursula 8 Jahre

Das Hinterglasbild „Maria und Jesus“ vor dem Rosenhag bezeugt, wie religiös Ursula erzogen wurde. Die Quelle dafür war vor allem Ursulas Großmutter - liebevoll von ihr Gogge genannt. Bis zu deren Tod hat sie bei den Dethleffs in Isny gewohnt – siehe Ölgemälde „Großmutter mit Ursula“ WVZ-Nr. 152202. Der Glaube ihrer Gogge, der auch durch zwei von der Oma durchlebte Weltkriege nicht erschüttert worden war, lebte in Ursula weiter. Ursula war zwar evangelisch, doch dank ihrer Mutter war sie früh in die Kunst der altdeutschen Malerei eingeführt worden. Deshalb war sie auch mit deren Werken und den Heiligen der frühen Christen vertraut. Von ihrem „Muttle“ angeleitet, konnte hat sie auch aus diesen Werken Anregungen übernehmen - wie z.B. von Martin Schongauer: „Madonna im Rosenhag“. 

233009 Madonna mit Jesus im Rosenhag
Hinterglas 1941

1942 – Ursula 9 Jahre

1943 – Ursula 10 Jahre

Die Komposition „Vor dem Tempeltor“ besteht aus einer Hinterglasmalerei, die mit Textil hinterlegt ist. Die Frauen sind kindlich gemalt und trotzdem entsprechen Sie in ihrer Schlichtheit dem späteren Stil von Ursula. Das Bild strahlt in seiner Vielfalt und seinen Farben die Bedeutung des Tempels aus

Mutter mit Ursula
Fohlen, Pferd und Ursula
292002 Vor dem Tempeltor Hinterglas, 1943

1944: Ursula 11 Jahre

Von der Mutter stammte der Hinweis auf das mythologische Thema „Geburt der Venus“. Ursula realisiert die Aufgabe mit zeichnerischer Kindlichkeit, die jedoch zu einer Einheit führt, die überrascht. Die Arbeit mit Keramiken hat Ursula gelernt bei dem Isnyer Töpfer Fritz Blaicher – siehe Ölbild WVZ-Nr. 251002.

„Muttle“ beim Schneeschaufeln mit Ursula
Ursula auf „Vattle’s“ Schoß
261019 Geburt der Venus Keramikschale 1944

1945: Ursula 12 Jahre

Wieder ein Hinterglasbild – diesmal aber 2 Mädchen in einer Situation, die im Widerspruch zur oberschwäbischen Moral zu stehen scheint. Dabei stand die Moral von Ursula ganz und gar nicht im Widerspruch zur Moral der Großmutter – beide waren allerdings nicht verklemmt. Ein Beweis dafür ist auch das Hinterglasbild, das Ursula ihrem Großvater Albert Dethleffs zu seinem 80. Geburtstag gemalt hat – siehe WVZ-Nr. 231017 – Die Rothaarige

Wie kann ein 12-jähriges Mädchen eine Textilcollage in ein „Stillleben mit Halbakt“ auf leuchtend rotem Grund verwandeln? Ein Kaktus im Vordergrund. Dahinter eine Vase – übervoll mit farbigen Blüten. Dazu ein großer Strauß gelber Sternblüten mit orangefarbigen Blütenkörben. Von der Wand sieht – fast in den Blüten versinkend – ein Halbakt aus dem Bild mit braunem Rahmen. Dieses Bild war ausgestellt u.a. 1993 in der Ausstellung der Sezession Oberschwaben-Bodensee (SOB).

„Marias Tempelgang“ am 21. November in Jerusalem: eine würdevolle Textilcollage. Maria steigt im Kreis der Frauen die goldgelbe Treppe zum Bischof hinauf. Gefasst ist das Bild oben durch den Torbogen und zwei Fensterbögen. Die 13 Frauen sind in lange Gewänder gekleidet, alle mit langen Haaren und den stilistisch einfachen Gesichtszügen von Ursula. Der Boden strahlt mit seinen dunkelbraunen Fliesen Erhabenheit aus.

„Das jüngste Gericht“ von Hieronymus Bosch hat wohl Ursula zu ihrer Sepiazeichnung inspiriert. Aber nur die Fülle der Figuren entspricht der Anregung von H. Bosch. Ursulas Zeichnung mit Gott Vater und seinem Schwert, den Kriegern mit Turban und wallenden Gewändern, den Teufeln mit hässlichen Gesichtern usw.. erscheint kindlich. Die grässliche Angst, die lodernde Dramatik mit der Furcht vor dem baldigen Weltuntergang bei Bosch ist nicht zu spüren. Das ist auch nicht notwendig: das Vertrauen auf die Gnade Gottes braucht diese klerikale Drohung nicht.

Zur Abwechslung ein herber Holzschnitt aus dem Zyklus: "Kinder in der Malschule" mit dem Titel: „Kinder zeigen ihre Bilder“. Bei den Gesichtern der Kinder deutet Ursula nur deren Augen und ihren Mund an. Es wird schwer für die zierliche Ursula gewesen sein, das Bild in das harte Holz zu schnitzen. Trotzdem: Der Holzschnitt wurde veröffentlicht in den Büchern von Hans Ricklinger und Prof. Dr. H.Hofstätter (siehe Biographie mit Literaturverzeichnis)

231006 Liegende Akte Hinterglas um 1945
292015 Still-Leben mit Halbakt Bildteppich, 1945
292011 Marias Tempelgang Textil Collage Hinterglas um 1945
272005 Das jüngste Gericht, Tuschfeder-Sepia 1945
286006 „Kinder zeigen ihre Bilder“aus „Malunterricht“ Holzschnitt 1945
 

1946: Ursula 13 Jahre

Das kleine Aquarell „Im Wohnzimmer“. Eine warme,heimelige Stube: der Vater auf der Polsterbank mit weißem Blütendekor am Tisch. Daneben die alt und dabei klein gewordene Oma (Gogge) beim Stricken. Rechts von ihr eine alte geschreinerte Kommode. Darüber an der Wand ein Bild, links davon ein runder Vogelkäfig und weitere Bilder. Oben die rustikale Holzdecke, am Boden auf den hellen Fliesen ein kleiner runder und ein großer, brauner Teppich. Alle Details passen exakt zu der gemütlichen Stimmung.

„Christus vor Pontius Pilatus“ ruht in sich selbst und in seinem Vertrauen auf Gott. Nichts in dem Hinterglasbild erscheint unsicher oder gar gefährlich. Der Hintergrund ist in dominierendem Königsblau gemalt. Davor der erhobene, blaue Sessel des Pilatus vor smaragdgrünem Baldachin. Pilatus gekleidet in erhabenem Purpurrot. Vor ihm steht aufrecht Christus in dunkelblau mit dem Rosenkranz in der Hand, der Jesus Kraft in der Gefahr geben sollte – wie Ursula es bei ihren katholischen Freundinnen erlebt hatte. Hinter ihm in langen Gewändern der Hofstaat – ein Wachmann mit einem Speer in der Hand. Rechts vorne eine Frau mit einer Schale. Alle Gesichter in hellem grau, mit einfachen schwarzen Konturen gezeichnet.

Ursula als Modell
Ursula mit Bild von der Mutter poträtiert:WVZ 152044
 
201070 Im Wohnzimmer Aquarell 1946
233005 Christ in front of Pilatus Hinterglas 1946

1947: Ursula 14 Jahre

Für die Jugendzeitschrift „Grünschnabel“ zeichnete Ursula ein Titelbild mit Tuschfeder: in der Mitte sitzt breit der schwarze Vogel. Sein großer Schnabel – das Logo - ist geschmückt, zudem noch fast unmerklich grün aquarelliert. Alle Kinder, die ihn umspielen, sind – als Gegensatz zum schwarzen Körper - zart gezeichnet. Zwei Mädchen reiten auf seinem Schnabel. Ein Junge klettert an seinem Kopf empor. Unten spielt ein Junge Violine, während sechs Mädchen seinem Spiel zuhören. Nur das Mädchen in der Mitte trägt eine Bluse. Der Gegensatz zwischen dem behäbigen Vogel und den quirligen Kindern ist exzellent gelöst.

Für ihre Porträts war Ursulas Mutter berühmt – siehe Beispiele im Kapitel „Kostbarkeiten Fridel Dethleffs-Edelmann. Deshalb hat Ursula an Porträts auch lange Zeit nur zeichnerisch gearbeitet. Es hatte lange gedauert bis sich Ursula überhaupt an ein Porträt gewagt hat. Die Bildhauerin Rosemarie Dyckerhoff war eine Freundin der Mutter- sie half Ursula: sie überzeugte sie, sie nahm sich Zeit und saß ihr dann auch für das Bild Modell: das Porträt als Gouache überzeugte! Zwar hat Ursula ihre Lehrerin mit geschlossenen Augen gemalt, weil sie zu befangen war. Doch das störte nicht, sondern es überraschte, weil der Grund dafür unbekannt blieb. Die Schönheit und Eleganz der Bildhauerin bleibt der Nachwelt erhalten.

Wieder eine Tuschfederzeichnung – und zudem wieder ein Affront gegen anständige Moralisten. Trotzdem nicht nur für die Freunde der Kunst eine uneingeschränkte Freude: Mit einem kostbaren Diwan, mit Zweigen, mit Perlen, mit Parfüm, mit einem Spiegel, mit Haarschmuck und mit zwei Mädchen, die sich an ihrer Schönheit unbefangen erfreuen.

Von der Konfirmation
Ursula mit Freundin im Dethleffs-Caravan
272145 Kinder mit Grünschnabel, Federzeichnung aquarelliert, 1947
201012 Porträt R. Dykerhoff Gouache 1947
272236 Zwei Mädchenakte Zeichnung Tuschfeder 1947
 

1948: Ursula 15 Jahre

Helles Königsblau beherrscht die Gouache der „Ritter von der Tafelrunde“. Die vier Rundbogen der Fenster sind königblau umrandet. König Arthur trägt seinen blauen Königsmantel. Der Kragen seiner Königin trägt die gleiche Farbe. Von den Rittern trägt nur einer seinen Schurz in hellem Blau – er gehört zur Familie. Obwohl alle Ritter der Tafelrunde gleich behandelt werden, kann sich jeder so kleiden, wie er es für richtig hält – wenn er auf das Königsblau verzichtet. Der gleiche Status ist der gemeinsame Anspruch, das bedeutet jedoch keine Gleichmacherei. Deshalb malt Ursula die 22 Teilnehmer an der Tafel in vielen bunten Farben. Ihre Gouache ist prächtig. Sie entspricht den Träumen von den guten Rittern. Die Gouache wurde im November 1994 von der Zeitschrift „Die Frau“ veröffentlicht.

Ein seltenes Motiv: Ursulas Mutter sitzt lässig auf der Bank. Ihr Blick geht unverbindlich in die Ferne. Die Bänder am Hut flattern leicht. Sie ist perfekt angezogen. Auf ihrem Schoß liegt ein Bildteppich von Ursula, der sie mit ihrer Tochter verbindet. Nur die perfekte Kleidung gilt auch für ihre Tochter Ursula. Ganz anders die ehrfürchtige Haltung von Ursula: sie ist in sich verkrampft. Der Blick offenbart ihre Angst, den Ansprüchen der Mutter nicht zu genügen. Ihre Hände hat sie vor der Brust gefaltet. Das Bild spricht für sich: mehr Worte sind unnötig. Trotzdem erscheinen Mutter und Tochter als Einheit.

Auch Blumengemälde gehören zu den bekanntesten Werken von Ursulas Mutter. Selbst die Kunstkommissare der Nazis haben Fridel schriftlich im 3. Reich „empfohlen“, nur noch Blumen zu malen. Wen kann es wundern, dass es lange gebraucht hat, bis sich Ursula an Blumengemälde gewagt hat. Das „Chrysanthemen in altrosa Vase“ ist eines ihrer ersten Blumengemälde. Wichtig war Ursula nicht die Genauigkeit, nicht die Vergänglichkeit in den Gemälden der Mutter– wichtig war ihr der sich verflüchtigende, auflösende Eindruck der Chrysanthemen. Ihr Hintergrund ist zweifarbig – das Blau ist so nervös gemalt wie die Blüten der Chrysanthemen, der Tisch für den Strauß in erdigem Braun. Die Vase als Blickpunkt in glasiertem Altrosa. Damit gelingt Ursula nicht nur die Emanzipation von der Arbeit der Mutter, sie malt das Blumenaquarell von Ursula Dethleffs.

Das Selbstbildnis der kranken Ursula mit Augenklappe II war für die Ausstellung „Kinder“ in Biberach von Dr. Degreif ausgewählt. Leider ist es uns nicht gelangen, das Ölbild rechtzeitig zu beschaffen. Wir bedauern das sehr. Mit der Ausstellung hier versuchen wir wenigstens mit dem Foto eine Brücke nach Biberach zu schlagen.

Das erste Bild zeigt Ursula vor schwarzem Hintergrund. Das ganze Bild dokumentiert das Leid des Mädchens – siehe WVZ 251012

Das zweite Bild 252072 ist mehr die neutrale Darstellung eines Kindes mit Augenklappe. Der Hintergrund ist jetzt Braun, der Pullover dunkelbraun also Ton in Ton gemalt. Im Gesicht ist kein akuter Schmerz mehr zu sehen – es zeigt einheitliche die Farbe der Haut. .

Das Selbstbildnis als Tuschfederzeichnung zeigt Ursula, wie sie wenige kannten: Ein Mädchen in der Pubertät: überrascht, mit großen Augen – zart, erschreckt und unsicher. Meist überspielte sie ihre eigenen Gefühle. Für die Gefühle hatte sie ihre Kunst, in der sie voll und ganz aufging. Ständig zweifelte sie an sich, auch bei ihren Kunstwerken. Das ist einer der Gründe, warum sie so hart und fast ununterbrochen arbeitete. Sie war sich nicht gut genug und wollte unbedingt besser werden.

201039 Ritter der Tafelrunde Gouache 1948
201051 Mutter und Tochter Gouache 1948
20162 Chrysanthemen in altrosa Vase Aquarell 1948
252072 Selbstbildnis II Öl-Karton 1948
272175 Selbstbildnis Tuschfederzeichnung 1948
 

1949: Ursula 16 Jahre

Die Ausstellung „Kinder“ im Museum Biberach macht es unumgänglich, Ursulas Gouache mit dem Titel „Jahrmarkt Gigelberg Biberach-Riß“ hier vorzustellen. Ursula war vom „Gigelberg“ fasziniert: Es war dort alles aufgebaut, was sie sich gewünscht hatte – sogar ein Kettenkarussell mit den fliegenden Schwänen und der Prinzessin von Hans Christian Andersen. Wer in Biberach lebt, wird mehr in dem Bild wieder erkennen als ein Isnyer. Für Ursula war jedenfalls die Freude riesig. Diese Arbeit zählt übrigens zu den am besten bewerteten Gouachen - nach dem Urteil der Kunsthistoriker aus Karlsruhe.

Ursula ist erwachsener geworden – im Verhältnis zu dem gezeichneten Selbstbildnis vor einem Jahr: Der Hintergrund zeigt einen durch Schwarz verdunkelten Hintergrund in stumpfem Rot. Eingelassen sind einige vertikale Streifen in Rot-Gold. Sie geben dem Bild Dynamik. Gleichzeitig machen sie Ursula zum Zentrum, obwohl sie nicht in der Mitte sitzt. Ursula stützt ihren Kopf nachdenklich mit der Hand. Ihr rot-grüner Ringelpullover mit den grauen Ovalen auf der Brust zeigt, dass es in ihrem Inneren arbeitet. Sonst dringt jetzt nichts nach draußen. Sie holt die Welt zu sich nach innen.

Das Thema „Rummelplatz“ als Textilcollage künstlerisch zu bearbeiten war schwierig. Ausgewählt waren die Stoffe schnell. Schwierig wurde es wenn Ursula die kleinen Stoffstücke ausschneiden musste. Am wenigsten gefiel ihr am Schluss das Annähen der Stoffe, der Bänder, Verzierungen usw. Umso schöner, wenn der Bildteppich dann vom Muttle gelobt wurde, wenn er dem Vatle und der Gogge gefiel. Manchmal kamen auch noch Gäste zu Besuch, die mit der Bewunderung gar nicht mehr aufhören und den Bildteppich kaufen wollten. Dieser Teppich wurde jedoch nicht verkauft: Ursula hat ihn Muttle zu ihrem 50. Geburtstag geschenkt!

Das Weihnachtsfest war früher der Höhepunkt christlicher Familien. Die - alles andere überstrahlende - Vorfreude auf Weihnachten spiegelt sich in Ursulas Keramikschale „Maria mit Jesus im Kreis der Engel“. Maria trägt eine kleine Krone. Allein ihr Kopf ist umrahmt von einem verdichteten Heiligenschein. Ihr Kleid ist genäht aus schwerem Stoff. Sie und Jesus sind von einem fast unendlich großen Schwarm von Engeln eingerahmt: Engel, die liegen, die stehen, die fliegen. Die Flügel der Engel sind als einzelne Federn gezeichnet- die Federn tragen leicht das Fliegengewicht der Engel. Die meisten Engel tragen ihr Haar offen. Einige sind nackt, andere bekleidet. Geschützt sind sie am Rand vom kleinen Bäumen mit Wurzelgeflecht, von Sträuchern mit Blüten und am Himmel wieder von Engeln. Die Schale selbst ist als Einheit gefasst von fünf Bändern mit sehr fein gezeichneten Ornamenten.

Die weiße Friedenstaube vom Markusplatz in Venedig bleibt Ursulas erste und tiefste Erinnerung. Dann die Büste der jungen Italienerin, umgeben von zwei Weinkrügen und einer Weinflasche: in vino veritas. Nicht allzu weit im Hintergrund als Symbol für den Christlichen Glauben und die Kunstwerke in den Kirchen: die heilige Familie deren Krone von Engeln über dem jungen Jesus getragen wird. Mit dem Hinterglasbild von Ursula wird uns ihre Kunst in Erinnerung bleiben.

Wohnwagenmesse –Mutter und
Ursula mit ihrem Chowchow Ullok
1950: Ursula mit ihrer Mutter und dem Chowchow
201036 Jahrmarkt Gigelberg Biberach-Riß Gouache 1949
201108 Selbstbildnis Aquarell 1949
212002 Rummelplatz Bildteppich 1949
261024 Maria mit Jesus im Kreis der Engel Keramikschale 1949
232035 Erinerung an Italien Hinterglas um 1949
 

1989: Ursula 56 Jahre

Die Arbeit hatte Dr. Degreif ebenfalls für die Ausstellung „Kinder“ in Biberach ausgewählt. Da wir sie leider nicht zur Verfügung stellen konnten, nehmen wir wenigstens das Foto in unsere Ausstellung auf. Das Kunstwerk entstand 1989; Ursula war 56 Jahre alt. 5 Jahre später ist sie gestorben. Ursula war ein Einzelkind. Geschwister haben ihr gefehlt. Das Relief zeigt das Kind, allein auf zwei sich irgendwann auflösenden Holzplatten sitzend. Das kleine Element ist die Familie, sie wird sich schneller auflösen als die große Platte. Die ist das Synonym für den Staat, den Kontinent oder die ganze Erde. Neben der kleinen Puppe liegt ein großer Holzfächer. Nur diese beiden Objekte sind reale Gegenstände. Alles andere sind wunderbare Fundstücke; Objekte mit denen Kinder liebend gerne spielen, wenn sie nicht mit gekauftem Spielzeug überschüttet werden. Objekte die Ihre Phantasie anregen; die dazu beitragen, ihr Gehirn wachsen zu lassen.

Postscriptum

1994 - nach Ursulas Tod – habe ich die Verantwortung für die Sammlung Dethleffs übernommen. 23 Jahre sind inzwischen vergangen. Seitdem habe ich 16 Ausstellungen im Atelier Dethleffs (das ich leider verkaufen musste) und 25 Ausstellung hier in der Galerie Dethleffs gezeigt, die ich nach dem Verkauf aufgebaut habe. Die neue Internet Galerie-Dethleffs erfüllt jetzt den ursprünglichen Wunsch der Familie Dethleffs: die Werke von Fridel und Ursula Dethleffs sollen für alle offen stehen.

Weit über 30.000 Arbeitsstunden hat mich die Bewahrung der Sammlung Dethleffs bisher gekostet. Das ererbte Vermögen habe ich gerne in diese Arbeit „investiert“: Es war eine Investition, bei der nicht das Geld der Mittelpunkt war, sondern der Dank an die Familie Dethleffs: Arist Dethleffs hat in Isny den Grundstein für die deutsche Wohnwagenindustrie gelegt. Zusammen mit seiner Frau Fridel Dethleffs-Edelmann und der Tochter Ursula Dethleffs haben sie sich für die Kunst des letzten Jahrhunderts in Deutschland eingesetzt. Bernd Riedle Isny-Ulm 2017

224066 Einsamkeit des Einzelkindes Objektkunst Relief Holz 1989