Mädchen-Akte
Arbeiten in 9 unterschiedlichen Kunsttechniken:
- Bildteppich, Gouache, Hinterglas, Bild auf Keramik, Öl, Pinselzeichnung, Radierung, Skulptur Keramik, Tuschfeder
Erst 1919 wurde in Karlsruhe die Kunstschule für Damen geöffnet – vorher war sie geschlossen, weil Professoren die jungen Kunststudentinnen mit dem Studium „Malen des nackten Körpers“ nicht gefährden wollten. (Studenten galten nicht als gefährdet.)
In unseren Tagen des grenzenlosen Angebots im Internet könnte der gemalte Akt seine Attraktion verloren haben. Das stimmt, wenn es sich nicht um Kunst handelt. Der Künstler aber malt nicht ab, er interpretiert die Sexualität, die Lust, die Erotik und den Verfall.
Bei dieser Vorgeschichte ist es erstaunlich ist, dass Ursula Dethleffs schon ab dem 12. Lebensjahr weibliche Akte gemalt hat. Wir wissen nicht, ob das „Mädchen Ursula“ – wie sie in frühen Kunstkritiken zärtlich genannt wurde – sexuell frühreif war. Aber in all ihren Bildern klingt eine farbenfrohe, lustvolle Erotik auf. Vor allem die frühen Arbeiten zeigen bis zum 20. Lebensjahr Gruppen von unbekleideten Mädchen: Sie liegen zusammen, sie bewundern sich im Spiegel, sie baden gemeinsam oder vergnügen sich zusammen in der Sauna.
Erst langsam steht bei Ursula das Mädchen allein als Akt im Mittelpunkt.
Weibliche und männliche Akte wurden in der Kunst oft gemeinsam gemalt. Nicht so bei Ursula. Gefunden habe ich bisher nur eine charakteristische Zeichnung mit dem Titel: „Herzog Blaubart und Judith“ WVZ-Nr. 273076: Das nackte Mädchen wird aus dem Hintergrund bedroht durch den bekleideten Frauenmörder Blaubart!
Ich bin kein Psychologe. Ursula Dethleffs hätte sicher zudem jede Beurteilung durch Ärzte und andere abgelehnt. Der viel einfachere Grund für die Selektion könnte sein, dass auch bei Ursulas Mutter, Fridel Dethleffs-Edelmann, der männliche Akt keine tragende Rolle gespielt hat. Niemand verehrte Ursula Dethleffs so sehr wie ihre Mutter.
Viel wichtiger als das psychologische Rätseln ist für uns, die wir heute Ursulas Werke ansehen können: kaum eine andere Künstlerin hat in so vielen unterschiedlichen Kunsttechniken so unterschiedlich schöne Werke hinterlassen.
Bernd Riedle Februar 2015