Alle Engel sind Mädchen: Ursulas Weihnachtsmärchen mit Keramiken und Familienfotos

Die erste, von Ursula bemalte Keramikschale in unserer Sammlung:

261019 Ursula Dethleffs: „Geburt der Venus“ Keramik-Schale bemalt, Rückseite signiert, datiert 1944 – war ausgestellt im Wohnzimmer Haus Dethleffs

Ihre früheste Keramikschale, die hier in der Galerie Dethleffs ausgestellt ist, stammt aus dem Jahr 1944. Damals war Ursula Dethleffs 11 Jahre alt! Die Keramikschale trägt den Titel „ Aphrodite“ (WVZ-Nr. 261019). Dieses Motiv aus der griechischen Mythologie wurde Ursula von ihrer Mutter vorgeschlagen, die sie fast während ihres ganzen Lebens in allen Fragen der Kunst begleitet hat. „Aphrodite“ ist eine Kinderarbeit von Ursula. In der Innenseite der Schale ist eine dünne weiße Farbschicht aufgetragen; darauf hat Ursula mit Bleistift all das gezeichnet, was sie anschließend bis zur roten Keramik wieder herausgekratzt hat. Die zarte Arbeit zeigt schon, dass sich aus dem 14 Jahre alten Kind Ursula einmal mehr als eine Hobbymalerin entwickeln könnte.

Gemälde und Familienfotos

1936: Fridel Dethleffs-Edelmann _ WVZ-Nr.152034 _ Familienbildnis_ Öl-Leinwand_ Vorderseite signiert_ Rückseite - signiert – datiert – betitelt – Dauerleihgabe an das Wirtschaftsmuseum Ravensburg
1943: Fridel Dethleffs-Edelmann:_ WVZ-Nr. 152054 Bildnis-meiner-Tochter-Ursula Öl-Sperrholz 1943_Vorderseite – betitelt _ Rückseite-signiert-datiert - betitelt
1944 – Die 11 Jahre alte Ursula mit ihrem Vater Arist Dethleffs: Der Vater war als Soldat an der Front gewesen. In seinem Fronturlaub genießt Ursula die Zeit mit ihm. Zusammen sitzen sie vor dem Wintergarten am Isnyer Haus.
1944 - Die 11-jährige Ursula Dethleffs sitzt auf Kieseln aus der Argen. Sie hat ihre kleine Katze im Arm, ihre Mutter schaufelt den Schnee vom Plattenweg im Garten des Isnyer Hauses.

5 Jahre später:
Keramik-Schalen zur Weihnachtszeit 1949 von Ursula Dethleffs

Die künstlerische Beurteilung der 5 Keramik-Schalen war fast einhellig sehr gut: beste Arbeiten der sehr jungen Künstlerin! Wenn vorsichtig Kritik geäußert worden ist, dann lautete sie: sehr gutes Handwerk, aber keine Kunst. Wer jedoch aus der Kunstgeschichte weiß, dass früher unter den Zünften neben den Bäckern bis zu den Wundärzten ganz selbstverständlich auch die Künstler als Handwerker eingruppiert waren, der kommt ins Grübeln. Warum soll ein Künstler kein Handwerker sein?

Die Keramik-Schalen entstanden während der Konfirmationszeit von Ursula. Religiös erzogen wurde Ursula vor allem von ihrer Großmutter. Die Vorbereitung der evangelischen Kirche in Isny auf die Konfirmation war Ursula wichtig. Pfarrer Hauser war der wichtigste Anker; sein Sohn Hans Christian Hauser hat viele Jahre später die todkranke Ursula auf der Intensivstation der Waldburg-Zeilschen Kliniken mit einer, von ihm gespielten  Violinsonate von Bach in den Tod einschlafen lassen. Ursulas Vater hatte in ihrer Kinderzeit Violine gespielt. Ursulas Cousin hatte Hans Christian Hauser um das Konzert bei Ursula in der Intensivstation gebeten. Er hat sofort zugestimmt. Ob ein Honorar bezahlt wurde war unwichtig. 

Gemälde und Familienfotos

Um 1942: Fridel Dethleffs-Edelmann: WVZ-Nr. 152033 _ Großmutter Edelmann mit ihrer Enkelin Ursula _Sammlung Augustinermuseum Freiburg
1943: Fridel Dethleffs-Edelmann:_ WVZ-Nr. 152033 _ Bildnis-meiner-Tochter-Ursula_Öl-Sperrholz_1943_Vorderseite – betitelt _ Rückseite-signiert-datiert
1949 Ursula Dethleffs im Jahr ihrer Konfirmation
1949 F. Dethleffs-Edelmann an ihrer Staffelei im Atelier des Hauses Dethleffs in Isny

Fünf Keramik-Arbeiten von Ursula Dethleffs: Alle Engel sind Mädchen – alle Mädchen sind Engel

261003_Ursula Dethleffs: „Maria und Jesus im Kreis der Engel“ Keramik-Teller bemalt und glasiert_ datiert 1949_ Rückseite signiert mit "Ursula Dethleffs" und mit eingekratztem Selbstbildnis zusätzlich geschmückt _ Brandriss oben Mitte. Die Keramik war ausgestellt im Wohnzimmer Haus Dethleffs.

Das reich verzierte Ornament mit abstrakten Zeichen bildet den umlaufenden Rand des Tellers. Das Ornament hält alles Störende, alles Weltliche von der Gruppe ab, die sich in der Mitte um Maria mit Jesus versammelt hat.

Heute könnten wir vermuten, es würde sich um einen Fototermin handeln. So schön sind die Haare gelegt, so herrlich sind die grafisch unterschiedlichen Stoffe und Kleider gestylt. Jesus in der Mitte auf dem Schoß der Maria ist jedoch nur geschmückt mit lockigem Haar. Sein weißer Kittel erinnert an Windeln. Am Bildaufbau überraschen zwei unbekleidete Mädchen. Sie beweisen uns: es gibt keine geschlechtslosen Puten: alle Engel sind Mädchen. Einer dieser Engel sitzt, der andere kniet unten vor der Muttergottes mit Jesus. (Genderfähig sind weder Bild noch Text.) Die Flügelenden der Engel sind nur ganz oben bei der Gruppe zu erkennen. Alle Mädchen sind Engel! Das entspricht zwar nicht der jüdischen Tradition, dafür aber umso mehr der Familie Dethleffs: Großmutter, Fridel und Ursula umsorgen Arist Dethleffs in der Mitte. 1949 – als die Großmutter noch bei der Familie Dethleffs lebte, könnte es so gewesen sein.

261017_Ursula Dethleffs: 261017_“Maria mit Engeln“ Keramischer-Teller-bemalt-glasiert-gebrannt_1949_auf Rückseite unter Aufkleber datiert_ ausgestellt im Wohnzimmer Haus Dethleffs

Während die vorige Keramik sehr zurückhaltend ist, überrascht diese Keramik mit ihrer Intensität. Die Farben von Ornament und Personen strahlen auf dem leicht gelben Beige. Der Rahmen ist in zwei rundlaufenden Ornamenten gearbeitet. Sie sind miteinander verbunden über flächige Zeichnungen, die aus der Natur abgeleitet sind: Ähren, Blätter usw.

Maria und Jesus sind in der Mitte als Gleiche unter Gleichen positioniert. Maria hat zwar prächtig aufgebaute Haare, aber sie kann nur erkannt werden, weil das Kind bei ihr auf dem Schoß sitzt. Das Gesicht von Jesus ist fein gezeichnet, aber sein Kleid ist unverändert schlicht. Vorne sitzen fünf Mädchen auf einer Bank. Eines der Mädchen hält einen Blumenstrauß in ihren Händen.

Je ein Flügel ist auf diesem Bild nur bei den beiden weiblichen Engeln zu sehen, die ganz außen links und rechts stehen.

Der Eindruck, den der Keramikteller auslöst, ist überwältigend. Es sind die Jahre, in denen die 16-jährige Ursula Dethleffs als Wunderkind bezeichnet wurde. Die Arbeit ist zwar nicht signiert, aber die anderen Arbeiten aus 1949 lassen den Schluss zu, dass auch sie von Ursula Dethleffs gefertigt wurde.

261020_Ursula Dethleffs: „Maria mit Engeln“_Keramik-Teller-bemalt_Vorderseite unten links signiert-um 1949_ ausgestellt im Haus Dethleffs

Der Rand ist mit einem schmalen Band aus Ornamenten betont. Eindeutig im Zentrum sitzt hier Maria mit Krone und Heiligenschein. Sie hat den unbekleideten Jesus auf dem Schoß, der ebenfalls von einem Heiligenschein umfangen ist.

Über Maria mit ihrem Sohn fliegen rechts und links zwei Engel. Ihre Flügel bestehen aus großen Federn – wie Vogelflügel. In ihren Armen halten die beiden Blumensträuße. Der rechte Engel ist mit der Andeutung einer weiblichen Brust keine Pute.

Maria und Jesus sind von einer großen Schar von Mädchen und Frauen umgeben. Sie gehen nicht in der Menge unter, ihre Statur ist größer – es sind einzelne Persönlichkeiten. Bei den Kleidern dominiert der Stoff mit länglichen Streifen. Stoffe mit Karomuster sind nur bei zwei Engeln gemalt. Fünf der „Engel“ sind nackte Mädchen. Innerhalb der Gruppe sind erstmals Flächen nicht bemalt – wie z.B. unten den beiden oben frei schwebenden Engeln. Die Gruppe erscheint wegen der Gesten der Engel insgesamt dynamischer als die früheren Arbeiten.

261023_Ursula Dethleffs: „Jungfrau Maria mit ihren Gespielinnen“_ Keramik-Teller bemalt _1949_Rückseite datiert_ ausgestellt im Atelier Haus Dethleffs_ ausgestellt in "Christliche Kunst der Gegenwart" in Ravensburg und Freiburg 1949

Das schlichte Ornament als Band am Rand betont mit seiner Gitterstruktur die Geschlossenheit, die Sicherheit und die Einheit der Frauengruppe. Ein Anklang an die Frauenkemenate in der Zeit der Minnesänger oder an den Harem im Orient?

Maria wird im großen Kreis ihrer zahlreichen Gespielinnen nur hervorgehoben durch die beiden Luftfächer über ihr, durch ihren Haaraufbau und durch die Größe ihrer Darstellung im oberen Teil des Tellers. Alle Figuren sind sehr fein gezeichnet. Die Gesichter sind überwiegend ernst. Gesprochen wird anscheinend nicht. Die Kleiderstoffe in Karomuster beherrschen das Bild neben den breit gestreiften Stoffen.

Zur Vorstellung vom orientalischen Harem passen auch hier die, in die Gruppe eingestreuten nackten Mädchen. Sie sind gleichzeitig ein wichtiges Element der Gestaltung: Die natürliche Farbe ihrer Haut lockert die Gruppe auf als Gegensatz zu den Stoffen mit Karo und Streifen.

Erstaunlich ist, wie frei die 16-jährige Ursula Dethleffs das religiöse Thema bearbeitet. Das ist vor allem der Erziehung durch ihrer Großmutter zu verdanken: sie war religiös, aber nicht frömmelnd und engstirnig.

261024_Ursula Dethleffs: „Maria mit Jesus im Kreis der Engel“ _Keramik-Schale bemalt-glasiert_Rückseite-signiert mit Selbstbildnis von Ursula Dethleffs - datiert_1949 _ ausgestellt im Atelier Haus Dethleffs

Der Himmel kennt keine Grenzen. Die drei Bänder der Ornamente am Rand sind Zierde, keine Beengung. Die Keramik-Schale ist dicht bemalt. Die eigentlich dunkelrote Keramik erscheint dadurch beleuchtet wie von innen heraus.

Maria im oberen Drittel und doch fast verborgen zwischen den vielen Engeln: die gekrönte Jungfrau mit ihrem Sohn auf dem Schoss. Die Struktur ihres gewobenen Kleiderstoffes hebt sich ab. Ansonsten geht sie fast unter zwischen den vielen Engeln mit den meist hellen und den drei dunklen Kleidern. Sechs unbekleidete Engel rahmen unten die Gruppe ein. Ursula Dethleffs lässt keine Zweifel aufkommen: Alle Engel sind auch bei diesem Werk weiblich.

Zwischen dem Gewimmel der Engel und den strengen Ornamenten am Rand lockern Bäume mit Wurzeln und Äpfeln, Blütenzweige und die Federn der Engelsflügel das Bild auf. Unten rechts ist die Keramik mit „Ursula“ signiert.

261026_Ursula Dethleffs: „Szenen aus dem Leben Jesu“_ Keramik-Schale-bemalt-glasiert_ Rückseite-signiert mit Selbstbildnis von Ursula Dethleffs – kaum sichtbar datiert - 1949_ ausgestellt im Atelier Haus Dethleffs_ ausgestellt in "Christliche Kunst der Gegenwart" in Ravensburg und Freiburg 1949

Sechs Ereignisse im Leben Jesu zeigt Ursula in je einem Bild. Das Bild ganz links: Josef führt den Esel, auf dem Maria mit dem neugeborenen Jesus sitzt. Josef und Maria hatten sich in Bethlehem, dem Geburtsort von Josef, „schätzen“ lassen. In Bethlehem war Jesus an Weihnachten geboren worden. Jetzt sind sie auf dem Rückweg nach Nazareth. Ursula hat die Freude über die Geburt des Erlösers im Stall immer wieder gemalt. Warum nicht hier?

Aus dem Leben Jesu werden unendlich viele Geschichten erzählt. Sein Leben war „aufregend“ von der Geburt im Stall über das Drama der Kreuzigung bis zur Auferweckung. Und doch bleibt Ursula ruhig und gefasst. Denn das Leben von Jesus war so außergewöhnlich, dass nichts das Erhabene beeinträchtigen darf. Das Foto von Ursula Dethleffs zeigt den Inhalt ihres religiösen Gefühls ( siehe unten).

Die zwei ordnenden Ornamente am Rand der Keramik sind schlicht, so schlicht wie die Rundbögen um die sechs Bilder. Keines der Bilder lässt das Drama des Lebens Jesus erahnen. Nur etwas bewegt sich: es sind die herrlichen Flügel des Erzengel Gabriels, der Maria die Geburt von Jesus ankündigt.

Fotos aus dem Jahr 1949:

1949 Ursula Dethleffs
1949 Fridel Dethleffs-Edelmann mit ihrer Tochter auf dem Weg zum Stand der Dethleffs-Wohnwagen auf der Frankfurter Messe
1949 Landesbischof Dr. Wurm mit Frau besucht Ehepaar Dethleffs am Bodensee und in Isny
1949 Ursula bewacht von ihrem Chow-Chow Wolluk im Wintergarten des Hauses Dethleffs

6 Jahre später: die letzte Keramik-Schale aus der Sammlung Dethleffs

1956: 261032 _Ursula Dethleffs: „Frau mit schwarzem Haar“ Keramik-Schale_Rückseite – signiert-glasiert

Das ist die letzte Keramik-Schale von Ursula Dethleffs, die zur Sammlung gehört hat. Das Foto ist nicht gut. Aber gerade diese Schale ist wichtig für die Entwicklung von Ursula Dethleffs. Da uns leider unbekannt ist, wer die Schale heute besitzt, veröffentlichen wir das schlechte Foto trotzdem.

In den 6 Jahren von 1949 bis 1956 hat sich Ursula Detheffs entwickelt. Ursula ist erwachsen geworden. Die Religiosität hat sie sich bewahrt, aber ihr Verhältnis zur Sexualität hat sich verändert. Die niedlichen, nackten Engel sind nicht mehr ihr Symbol für die Weiblichkeit. Aus dem Engel ist die Frau geworden. Einer dieser realen Frauen hat sie ihren Teller „Frau mit schwarzem Haar“ gewidmet. Deshalb haben wir den Teller am Schluss dieser Ausstellung veröffentlicht.

(Das Programm Typo 3 konfigurierte für uns „Christian Tauscher“. Die Fotos der Keramiken 1944 – 1949 verdanken wir „Knittel-Medien“. Verantwortlich für alles andere ist der Herausgeber der Internet Galerie Dethleffs: Bernd Riedle.)  

1957 Ursula Dethleffs mit Chow-Chow vor dem Traum-Gespann BMW mit Dethleffs-Globetrotter an der Jugoslawischen Grenze

Das ist die letzte Keramik-Schale von Ursula Dethleffs, die zur Sammlung gehört hat. Das Foto ist nicht gut. Aber gerade diese Schale ist wichtig für die Entwicklung von Ursula Dethleffs. Da uns leider unbekannt ist, wer die Schale heute besitzt, veröffentlichen wir das schlechte Foto trotzdem.

In den 6 Jahren von 1949 bis 1956 hat sich Ursula Detheffs entwickelt. Ursula ist erwachsen geworden. Die Religiosität hat sie sich bewahrt, aber ihr Verhältnis zur Sexualität hat sich verändert. Die niedlichen, nackten Engel sind nicht mehr ihr Symbol für die Weiblichkeit. Aus dem Engel ist die Frau geworden. Einer dieser realen Frauen hat sie ihren Teller „Frau mit schwarzem Haar“ gewidmet. Deshalb veröffentlichen wir den Teller am Schluss dieser Ausstellung.