Frühe Keramik von 1944 – 1963
61 Jahre alt wurde Ursula Dethleffs – für 47 dieser Jahre sind keramische Werke der Künstlerin dokumentiert. Das zeigt, wie eng ihre Verbindung zur Keramik gewesen ist. 450 ihrer Keramiken können wir schon heute in der Galerie-Dethleffs vorstellen.Wohl nahezu 800 Keramiken entstanden während ihres Lebens.
Die ersten Arbeiten: Ihre früheste Arbeit, die hier in der Galerie Dethleffs ausgestellt ist, stammt aus dem Jahr 1944. Damals war Ursula Dethleffs 11 Jahre alt! Der von ihr bemalte Teller trägt den Titel „ Aphrodite“ (WVZ-Nr. 261019). Dieser Titel aus der griechischen Mythologie stammte von ihrer Mutter, die sie fast während ihres ganzen Lebens in allen Fragen der Kunst begleitet hat. „Aphrodite“ ist eine Kinderarbeit. Doch die zarte Zeichnung zeigt schon das Genie der kommenden Künstlerin. Ursulas „Weihnachtssteller“ (WVZ-Nr. 261004) von 1947 zeigt ihre künstlerische Entwicklung: die feine Strichzeichnung wird mit ausgefüllten Flächen verbunden. Sie betonen das Zentrum mit Maria und Jesus im Kreis der engelsgleichen Mädchen. Den Teller umschließt ein feines Band als Meander. Er war ein Weihnachtsgeschenk für die Eltern. Bei der 1949 entstandenen Keramik "Mädchen unter Bäumen" (WVZ-Nr. 261007) . Neben der neu eingesetzten quadratischen Form ist wichtig: die enge Vernetzung des Bildes mit dem Rahmen. Zusätzlich hat sie ihn oben mit den Zweigen und Blättern der Bäume verwoben.
Ihr wichtigster Lehrer war Fritz Blaicher. Der im Allgäu bekannte Töpfermeister lebte in Isny. (siehe ihr Kinderbild: "Töpferwerkstatt Fritz Blaicher", Öl auf Papier - WVZ: 251002). In seinem Töpferofen hat er viele Jahre Ursulas Arbeiten gebrannt.
Weg in die Freiheit
1950 wagte Ursula eine Zäsur. Sie wechselte von der konservativ feinen Zeichnung zur freien Form: Für die Keramik „Mädchen“(WVZ-Nr. 24126) überstreicht sie den rauhen, roten Klinker nur teilweise mit Deckweiß. Auf das Weiß wird in hellbrauner Farbe die fast grobe Kontur des Mädchenkopfes und ihren Oberkörper gesetzt. Der Schatten ist dunkelbraun. Danach entsteht 1952 die erste komplette Skulptur: "Sauna" (WVZ-Nr. 260018), Die Vase „Vögel im Paradies“ (WVZ-Nr. 261027) verbindet 1953 die Zeichnung mit der Form. 1954 steigt „Neptun“ (260 027-A ), der Gott des Wassers, als Skulptur aus dem Meer auf. Statt des Dreizacks hat Ursula für ihn sperrige Nägel verarbeitet; das ist ein Anklang an Günther Uecker. 1955 und 1956 bearbeitet die Künstlerin zweimal das Thema „Mädchen mit Hahn: Der Liebhaber – in der Gestalt des Hahns - nähert sich dem unbekleideten Mädchen (WVZ-Nr. 260023). Bei der nächsten Skulptur nimmt das Mädchen den Hahn in ihren Arm und drückt in an ihre Brust (260005). Dieses Mädchen ist sittsam bekleidet, es ist Ursula mit ihrem schwungvollen Pferdeschwanz. Der Weg in die Freiheit fällt der 23 jährigen Ursula in der Kunst leichter als in der Beziehung zum Mann. Wir wissen aber auch: 1956 war Sexualität fast noch ein Fremdwort .
Bild auf der Keramik
Die Freude an Skulpturen wurde bei Ursula stark getrübt, wenn ihre kleinen Skulpturen zerbrachen. Die Konsequenz: Ursula arbeitete verstärkt an flächigen Bildern auf zuerst kleinen, später immer größeren Keramikplatten. Zwischen 1957 und 1961 entstehen: Akt mit Mädchen- 1957 (WVZ-Nr 241415, ), Das Mädchen am Strand -1958 (WVZ-Nr. 241028), Gefangen wie der Vogel im Käfig -1958 ( WVZ-Nr. 241005) Ophelia -1960 (WVZ-Nr. 241255) und Früher Morgen -1961 (WVZ-Nr. 241480). 1957 dominiert das, auf die Keramik gemalte Bild der beiden Frauen. 1958 werden zusätzlich eingesetzt: farbige Glasur und in das Bild eingelassene, gesägte Steine, die den Bildrand überlappen. 1960 verwendet Ursula bei Ophelia modellierten Ton, mit dem sie die verschieden farbigen Glasuren im Hintergrund fast überdeckt. Sein dunkles Grau verstärkt die Trauer der Ophelia. 1961 in „Früher Morgen“ wirkt das Bild des weißen Mädchenaktes kühl neben der blauen Glasur. Die oben am Bildrand in starker Schicht aufgetragene Glasur in Grün mildert die Kälte des frühen Morgens. Die Brüche der Glasuren sind in allen Arbeiten von Ursula Dethleffs ihr Zeichen der Vergänglichkeit: Memento Mori.
Keramisches Relief oder Materialbilder
Der Übergang zum Relief entwickelt sich in ihren Keramiken fließend. Einige Elemente sind schon in den oben genannten Arbeiten zu finden – wie die gesägten Steine bei „Das Mädchen am Strand“. Auf das früher gemalte „Bild“ verzichtet Ursula ganz. Ersetzt wird das Bild durch die künstlerische Vernetzung der Materialien und deren Verwandlung beim Brennen: Ton, Keramikteile, Metalle, Schaumstoff, Glasur usw.
Aus dieser Technik wird in der Kunstkritik dafür leider der Begriff „Materialbild“ abgeleitet. Dabei sind die Materialien nur das sekundäre Detail. Wesentlich ist immer das Gesamtkunstwerk: das Relief auf der Keramik! Sechs von Ursulas „Keramischen Reliefs“ aus der Zeit von 1960 und 1963 haben wir hier ausgewählt: Das 1960 entstandene „Ferrum“ (WVZ-Nr. 241253) ist revolutionär! Es überwindet jeden Anklang an ihre bisherigen Bilder. Ausgestellt wurde es u.a. in: 1961 in Augsburg und im Zeppelin-Museum Friedrichshafen, 1963 in der Pinakothek München, 1964 im Folkwang-Museum Essen.
Am besten wird das Werk erklärt: Bitte klicken Sie einmal auf das Foto „Ferrum“ : danach ist das Keramische Relief groß auf dem gesamten Monitor zu sehen. Diesen direkten Weg zum Kunstwerk empfehlen wir auch Für „Bas“ von 1960 (WVZ-Nr. 241292), für „Inkrustationen“ von 1961 (WVZ-Nr 241303), für „Votiv V“ von 1962 (WVZ-Nr. 241431), für „Inseln“- von1962 (WVZ-Nr. MVZ: 241251) und für „Triptychon III“ von 1963 (WVZ-Nr 241344-C).
Das „Triptychon III“ haben wir heute an den Schluss des ersten Teils der Keramiken gestellt. Sein Vergleich mit dem ersten Keramikteller von 1944 erschließt auf Anhieb, wie bedeutend die Arbeiten von Ursula Dethleffs sind. Dazu kommt: welche andere Künstlerin in Deutschland hat sich ähnlich entwickelt wie Ursula Dethleffs?
Ihr Weg war nicht einfach. Als mit Argusaugen beobachtete Tochter der Künstlerin Fridel Dethleffs-Edelmann. Als Tochter eines Fabrikanten, der ihr die Möglichkeit bot, sich mit Kunst die Zeit zu vertreiben.
Auch die Reise 1953 mit dem Wohnwagen durch Arabien war eine riskante Expedition – trotz der sie begleitenden Eltern! Deshalb haben wir die Keramik „Markt in Arabien“ und das Foto aus Luxor an die Spitze dieser Ausgabe gestellt.
Bernd Riedle 06/2015