Herbstfest

spiegelverkehrt gemalt auf der RS der Glasscheibe, 1959

Technik: Glas-Hinterglas
Abmessungen: 16 x 22 cm

WVZ-Nr: 232030
Sammlung: Dethleffs/Riedle

Rahmen-Glas-RS von F. Dethleffs-Edelmann für UD signiert-datiert-betitelt

 

„Bonjour tristesse“

Françoise Sagan hatte ihren Bestseller „Bonjour tristess“ 1954 veröffentlicht. Fünf Jahre später hat Ursula Dethleffs ihr Hinterglasbild „Herbstfest“ gemalt.Beide Werke basieren auf den Gefühlen der Nachkriegsgeneration von 1945: Den Kindern der Neureichen steht die ganze Welt offen. Sie genießen ihre neue Freiheit in vollen Zügen. Beim Feiern vieler Feste finden sie aber nicht den Sinn für ihr Leben. Deshalb folgt dem kurzen Rausch umgehend die Herbststimmung mit Tristesse.Diese Stimmung ist auch die Basis für das Hinterglasbild. Bewegend ist die im Bild angedeutete, geheimnisvolle Liebe von Ursula zu ihrer Freundin, weil sie der damals herrschenden Konvention geopfert wurde.

Hoffnungsfrohes Grün in farblichen Abstufungen wählt die Künstlerin als Hintergrund an der Wand, auf dem Boden und beim Kleid des vorne sitzenden Mädchens.

Oben im Bild tanzen zwei Paare – eng aneinander geschmiegt bei langsamen Rhythmen.

Nach vorne führen die gefallenen Herbstblätter unseren Blick zu dem dritten Paar. Es sind zwei Frauen:Ganz vorne räkelt sich eine der jungen Frauen auf dem Sofa und zieht genüsslich an ihrer schlanken Pfeife: im letzten Jahrhundert war das bei George Sand noch eine Provokation der Feministinnen. Im Bild ist die Pfeife nur das Zeichen der Frau für: vielleicht bin ich von einem anderen Stern.Ihre Partnerin steht in schwarzrotem Kleid zwischen den Bistrotischen. Ihr Blick fällt auf die, sich vorne räkelnde Partnerin.Was verbindet die beiden? Warum sind sie nicht zusammen? Ihr suchender Blick deutet an - ich liebe Dich. Beide durften sich nicht outen: Um 1959 verschwieg man die Homosexualität besser - vor allem bei Frauen. Wer seine Liebe nicht leben konnte, hatte wenig Auswege. Ein Ausweg war der Eintritt in das Kloster. Ursula Dethleffs blieb immer ihrer liebsten Jugendfreundin verbunden, auch nach deren Eintritt ins nahe gelegene Kloster.

Mutig und gefasst malte Ursula Dethleffs ihr „Herbstfest“. Dabei waren die beiden Freundinnen zerrissen zwischen Konvention und Liebe. Es ist ein scheues und dazu mutiges Bild. Nichts ist provokativ, alles wirkt gelassen.Die Künstlerin verklärt nichts – sie verfremdet auch nicht ins Abstrakte. Alles ist klar begrenzt. Keine Übertretung ist erlaubt. Nur ein unterschiedliches Grau hat Ursula den Farben zugestanden - Grau das dem Nebel im Herbst entspricht.

Bernd Riedle 1. September 2018

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