Fridel Dethleffs-Edelmann:
Künstlerin über zwei Weltkriege hinweg

mit Hungersnot 1918, mit Inflation bis 1923 , durch das 3. Reich bis 1945, danach der wirtschaftliche Aufschwung in Westdeutschland und später ihr Gehirntumor.

Selbstbildnisse bringen uns vor allem der Persönlichkeit näher – hier der Künstlerin Fridel Dethleffs-Edelmann. Ihre Selbstbildnisse erlauben zudem Rückschlüsse auf ihre künstlerische Arbeit, wobei Selbstbildnisse bei Fridel Dethleffs-Edelmann nur ein kleiner Teil ihrer vielen Werke sind.

Wie schwer ihr Leben oft war, wird zuerst deutlich an ihren Zeichnungen und Skizzen:

Da sie den größten Teil ihres Lebens (1899-1982) mit zwei Weltkriegen und deren Folgen bewältigen musste, ist das kein Wunder. Glücklicherweise haben ihre Eltern (Gastwirte, Brenner von Alkohol) Fridel und ihren Bruder mit großer Liebe vor dem Schlimmsten beschützt. 1931 heirateten Arist und Fridel – es war bis 1939 eine glückliche Zeit: Arist entwickelte das von Fridel schon 1924 erträumte Wohnauto für das Malen in der Freien Natur. Ihre Tochter Ursula kam 1933 gesund auf die Welt. Neben der Dethleffs Sportartikelfabrik wurde das kleine Wohnwagenwerk gegründet. Im 2. Weltkrieg wurde Arist 1940 als Soldat eingezogen. Er kam unverwundet zurück. Unter seiner Führung wuchs das Wohnwagenwerk. Ursula wurde - unter der Obhut ihrer Mutter - für ihre Kunstwerke als Wunderkind gefeiert. Die Familie war wirtschaftlich erfolgreich- fast alles war gut. Bis Fridel an einem Gehirntumor erkrankte; er wurde operiert, aber die Folgen behinderten ihre Arbeit stark. Arist erblindete vollständig. Die Fabrik wurde verkauft.

All das ist in ihren Zeichnungen und Skizzen verborgen.

 In Ihren Selbstbildnissen, in Öl gemalt, taucht ein Motiv immer wieder auf: Die Künstlerin bei der Arbeit.

1932 taucht das Motiv zum 1. Mal auf bei dem „Selbstbildnis in der Malkutte“ . Es wurde ausgezeichnet mit dem Ersten Staatspreis in der Ausstellung „Die Frau im Bilde“ vom Badischen Kunstverein Karlsruhe. Das HAUS DER KUNST in München hat das Gemälde erworben. (Ausgestellt wurde das Bild oft – zuletzt in New York und in Bilbao vom Museum Guggenheim.) Die Künstlerin steht in der weißgrauen Malkutte nachdenklich mit dem Pinsel in der Hand in der freien Natur.

1942 malte sie sich Im Atelier – raumgreifend steht sie als der Mittelpunkt im Atelier - sowie in der Familie. Das helle Sonnenlicht fällt von hinten auf sie und auf ihren dunkelbraunen Malerkittel. Der große Blumenstrauß steht hinter ihr auf einem Beistelltisch. Ihre Staffelei ist nur von der Seite zu sehen.

1950 ebenfalls im Atelier. Draußen hinter den Atelierfenstern ist es dunkel. Hinter ihr steht eine rund leuchtende Tischlampe. Die Künstlerin steht groß, etwas links von der Mitte – sie trägt wieder die helle Malkutte, deren rechte Seite jedoch beschattet ist. Sie hat sich neben dem Vorhang wie durchsichtig gemalt. Sie ist da, aber sie dominiert nicht. Auch hier spielt die Staffelei keine Rolle.

1952 sie erinnert mit dem neuen Bild an das preisgekrönte Gemälde von 1932. Sie steht wieder mit Malkutte und Pinsel vor der Landschaft – diesmal jedoch im Winter. Die Entfernung zum Hintergrund ist gering. Das Gesicht ist beinahe plakativ, schlicht dargestellt. Die neue Sachlichkeit ist abgelöst vom Schablonenhaften der Moderne.

Ebenfalls 1952 ist das Selbstbildnis im Atelier entstanden. Hinter ihr das Atelierfenster, darunter ihr Bücherbord. Ein gelber Blumenstrauss mit Zucchinien ist unter das Atelierfenster gestellt. Die Künstlerin har sich das Bild von der Staffelei geholt. Sie hält es prüfend in der Hand. Vor ihr auf dem Tisch eine leere Chianti Flasche aus Italien; symbolisch für die eigene Leere. Die Künstlerin hat die Frau auf dem Bild so sehr verfremdet, dass sie kaum mehr zu erkennen ist.

Ihr letztes uns bekanntes Selbstbildnis in Öl auf Leinwand ist mit 1955 datiert: Sie steht im Atelier im weißen Malerkittel mit zwei Pinseln in der Hand. Sie ist in Gedanken und sieht an der Betrachterin vorbei. Ihre weiße Malerkutte ist zu einem Drittel beleuchtet, zwei Drittel sind beschattet. Ihr Kopf jedoch steht ganz im Schatten. Hinter ihr sind im Atelier Bilder zu sehen mit modernen grafischen Figuren.

Selbstbildnis

Mischtechnik, 1924

Technik: Mischtechnik
Abmessungen: 26,5 x 24 cm

WVZ-Nr: 152010
Sammlung: unbekannt

Rückseite signiert-datiert-Notiz: gemalt bei Prof. Trübner Karlsruhe

Skizze

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Überraschend sind die leuchtenden Ölfarben von drei Gemälden aus den Jahren 1924, 1942 und 1955

1924: Fridel Dethleffs-Edelmann malte sich als verschüchterte junge Frau mit 25 Jahren. Sie saß artig auf einem Stuhl. Den Kopf hielt sie gerade, er war leicht nach links gedreht. Ihre dunkelblonden Haare waren akkurat gekämmt. Mit großen, fast ängstlichen Augen sah sie das Gegenüber an. Ihre weiße Bluse hatte einen schmalen, spitz zulaufenden Kragen und rote, längs laufende Streifen. Ihre Trachtenjacke war schwarz; der Kragen war rot eingefasst. Die vielen kleinen Knöpfe waren rot-gold farbig. Der größte Gegensatz ist, dass Fridel die junge Frau mit dem goldfarbenen Kopf vor den alles überstrahlenden rotgoldenen Hintergrund gesetzt hatte. Trotz ihrer Angst ist sie ein Kind des Glücks.

1942: Zusätzlich zur Bildbeschreibung oben ist hier wichtig: Die gelb-goldene Leuchtkraft des Gemäldes. Mit 43 Jahren sieht sich die Künstlerin im Zenit ihres Lebens. Sie ist sich ihrer Bedeutung sicher. Das gelb-goldene Sonnenlicht aus dem Fenster fällt auf den Boden. Es hat einzig die Aufgabe, Ihre Persönlichkeit mit der braunen Malerkutte ins volle Licht zu stellen. Auch Ihr Gesicht und ihre Hände profitieren von der gelben Leuchtkraft. Selbst die geliebte Staffelei mit Bild scheint Nebensache geworden zu sein.

1955: Die Künstlerin ist 56 Jahre alt. Sie ist in ihrem Leben hart gefordert worden. Sie musste die Hungerjahre überstehen. Sie musste sich einen Platz an der Landeskunstschule als Frau erkämpfen. Ihre Kunstwerke waren anerkannt bevor die Nazis an die Macht kamen; jetzt sollte sie der Kunst abschwören, die sie sich hart erarbeitet hatte. Ihre Familie erwartete das, weil sie Angst um die Fabrik oder die Mitarbeiter hatten. Als dann endlich 1945 der Frieden kam, wurde ihr von anderen Künstlern vorgeworfen, dass sie sich um des Geldes willen angepasst hätte. All das hat die Künstlerin in diesem Bild verarbeitet: Das Gold-Gelb spielt noch eine Rolle, aber nicht für Sie. Ihr Gesicht versinkt jetzt im Schatten. Das Geld verdienen andere mit Ihren modernen Bildern im Hintergrund. Sie erinnert sich jetzt an die Zeit, in der sie um Anerkennung nicht kämpfen musste.

Juni 2019 Bernd Riedle