Spiegel der Gesellschaft
Meist traf die Familie auf solchen Reisen andere Abenteuerlustige und kehrte mit neuen Aufträgen zurück. In einer Scheune fertigte Arist Dethleffs dann die ersten Einzelstücke und feilte an der Karosserie: Die einst viereckige Holzkiste auf Rädern wurde runder, windschnittiger und bekam eine Verkleidung aus Alu. 1936 hatte Arist schon sechs Mitarbeiter eingestellt - trotz des Misstrauens des Vaters Albert, der weiterhin die Zukunft allein in der Produktion von Peitschen und Skistöcken sah. Er irrte: Die Deutschen liebten die neue Art des Reisens. Sie empfanden gerade die Unzulänglichkeiten der ersten Wohnwagen als Romantik pur und waren bereit, für diese Flucht in die spartanische Heimeligkeit 2000 Reichsmark und mehr zu bezahlen. Zumal wenn die Innenrichtung so apart gestaltet war wie von Fridel Dethleffs-Edelmann. Außerdem schliefen die Kunden in ihrem Dethleffs nicht auf dünnem Schaumstoff, sondern auf Federkernmatratzen. Die Familie Dethleffs verkaufte nicht nur Wohnwagen, sie reisten selbst sehr weit.
Bald kopierten andere Hersteller Dethleffs' Konzept, der Schwabe bekam Konkurrenz. Erst der Kriegsausbruch 1939 beendete abrupt die erste Blüte dieser jungen Industrie.
Der Unternehmer kehrte rechtzeitig aus dem Feld zurück, um sich an der Goldgräberstimmung in den fünfziger Jahren zu beteiligen. Mit dem Wiederaufbau sehnten sich die Deutschen nach Normalität und der Wohnwagenbau wurde zu einem Spiegel der Nachkriegsgesellschaft: Wogen frühe Modelle, als bezahlbare Alternative zum Zelten gedacht, nur 200 Kilo, wurden mit dem Wirtschaftswunder auch die Wohnwagen größer: Das Heck ging in die Breite, die Karosserie maß plötzlich bis zu fünf Meter, das Gewicht vervielfachte sich.
Dethleffs kämpfte mit Herstellern wie Wilk, Tabbert, Knaus und Bürstner um die wachsende zahlungswillige Kundschaft. Luxusmodelle kosteten schon Mitte der sechziger Jahre rund 15.000 Mark - der Preis eines Mercedes. Es dauerte nicht mehr lange, bis aus den einst so primitiven Anhängern tonnenschwere aufgemotzte Appartements auf Rädern wurden. Natürlich mit Kühlschrank, Chemieklo, Wasserbett und Satelliten-TV.
Aus der kauzigen Idee eines fahrenden Kunstateliers zweier Frischverliebter ist längst eine milliardenschwere Industrie geworden. Dethleffs, die kleine Fabrik von 1931, beschäftigt heute rund 700 Arbeiter und machte zuletzt einen Umsatz von 272 Millionen Euro. Die Zeiten der Skistöcke und Peitschen sind vorbei - seit 1973 verlassen nur noch Wohnwagen die Werkshallen im Allgäu. Dazu kamen allerdings seit 1983 Motorcaravans, die immer bedeutender geworden sind.
1970 hatte die Familie Dethleffs das Unternehmen verkauft. Arist Dethleffs war krank geworden und später auch noch erblindet. Wolfgang Thrun und Jakob Eicker, die Fabrikanten der TE-Wohnwagen wurden die glücklichen Besitzer. Das Unternehmen wuchs. 1980 brachte Erwin Hymer, Fabrikant der Eriba-Wohnwagen und der Hymermobile, sein Unternehmen in die neue Guppe "CMC -Thrun-Hymer-Eicker OHG ein. Heute ist Erwin Hymer der alleinige Eigentümer der Gruppe, die ständig weiter gewachsen ist.
SPIEGEL-ONLINE Mittwoch, 02.02.2011 - ergänzt um neue Informationen durch Bernd Riedle - Neffe von Arist Dethleffs. Er war früher Geschäftsführer der Dethleffs GMBH und Zentralgeschäftsführer der Gruppe CMC.